Auch durch den Einzug des Internets und Social Media sind die Möglichkeiten zur Information und zum Austausch Betroffener über Gesundheitsprobleme in den letzten Jahren stark angestiegen.
Damit ist auch die Anzahl der schnellen und einfachen Tipps gegen vielerlei Gesundheitsprobleme höher geworden.
Ist damit auch gleichzeitig die Informationsqualität für den Patienten über sein gesuchtes Problem gestiegen?
Was bedeutet hierbei Qualität eigentlich?
Mindestens zwei Dinge sind hierbei entscheidend:
1. Es sollte im besten Fall helfen.
2. Es sollte nicht schaden.
Wir glauben, dass viele Informationen, die im Internet zu finden sind, das erste Kriterium erfüllen und dem Patienten/Sucher auf den ersten Blick sogar helfen können. Vielleicht geht es auch soweit, dass auch eine langfristige Besserung eintritt. Wir möchten dies an dieser Stelle gar nicht ausschließen.
Wir glauben und wissen aus wissenschaftlichen Untersuchungen aber auch, dass viele Informationen auf den ersten Blick vielleicht helfend erscheinen und doch einen sehr gefährlichen Anteil in ihrer vermittelten Botschaft enthalten können. Diese kann der Grund für einen Perspektivwechsel und eine Änderung das Verhaltens des Hilfesuchenden mit sich bringen und zu stärkeren Einschränkungen führen, als eigentlich "nötig" gewesen wäre.
Sogar der Grundstein für chronische Leiden kann aus Falschinformationen gelegt werden.
Deshalb ist es wichtig, diese Falschinformationen erkennen zu können und aus der Praxis zu entfernen, um nicht nur zur Besserung beizutragen, sondern auch Schäden anderer Art, die nicht auf den ersten Blick zu erkennen sind, zu vermeiden.
Du erfährst in diesem Beitrag:
Warum es wichtig ist, Mythen und deren Effekte zu kennen
Wie die Behandlungsqualität sinken kann, wenn die Behandlung auf einer veralteten Theorie basiert
Welche Mythen häufig in der Praxis zu finden sind
Wie du deine Behandlungsqualität steigern kannst
Als du dich entschlossen hast, Physiotherapeut:in zu werden und die Ausbildung zu beginnen, ist der eigene Anspruch gewachsen, gut zu therapieren.
In der Physiotherapie Ausbildung, im Studium und auf diversen Fortbildungen gibt es allerhand interessante Dinge zu erfahren, die von dir im ersten Moment nur angenommen und nicht diskutiert werden konnten.
Der Dozent bestimmt die Regeln und ist insofern der thematische Experte für das jeweilige Fachgebiet. Er wird schon wissen was er tut und vermittelt.
Denn:
Wer weiß, was er tut, der kann machen was er will.
Das Dilemma hierbei:
Wer falsche Grundgerüste lernt, kriegt dies leider nicht mit und es braucht einiges an kritischem Denken und eigener Reflexionsfähigkeit und die Bereitschaft, das gelernte Wissen, die Erfahrungen, die einen Therapeuten ausmachen und auch möglicherweise Teile der damit verbundenen eigenen Identität zu hinterfragen.
Genau aus diesem Grund ist es wichtig zu wissen, welche Effekte eintreten können, wenn deine Behandlung und die Wahl der Therapieschritte auf veralteten, damals besten, heute falschen Theorien basiert.
Mögliche Folgen für deine Patienten:
Dein Patient erhält irreführende Bewertungen über seinen Gesundheitszustand.
Er erhält Befunde und Aussagen über seinen Körper, dass vieles nicht in Ordnung, beschädigt ist oder „falsch“ funktioniert - bei normaler Physiologie
Dein Patient erfährt, dass er vorsichtig sein sollte, um schlimmeres zu vermeiden
Es finden Untersuchungen und Behandlungen statt, die keine nachgewiesenen positiven Effekte zum Vorteil deines Patienten mit sich bringen
Aus alten Behandlungsansätzen ergeben sich Hausübungsprogramme mit unklarem oder unrealistischem Ziel
Bei nicht eintretender Besserung springt ggf. der Gedanke auf, nicht genug oder nicht korrekt geübt zu haben, dass sogar Schuldgefühle auftreten können - Es sinkt hiermit vielleicht auch die Selbstwirksamkeit, wenn es einfach nichts bringt.
Behandlungseinheiten - wertvolle Zeit für den hilfesuchenden Patienten (und Therapeuten) werden gewissermaßen vergeudet
Die Therapie dauert insgesamt länger als nötig
Was ist nun eine "falsche Theorie"?
Hierzu ein Beispiel:
Eine Patientin mit Nackenschmerzen seit mehreren Monaten beginnt die Behandlung.
In der Anamnese gibt erzählt sie, dass der Schulterblick nach links seit einiger Zeit schlecht möglich ist und sie statt mit dem Kopf nach links über die Schulter zu drehen lieber die Kopfdrehung vermeidet und mit dem Oberkörper nach links dreht, um neben/hinter das eigene Auto zu schauen. Sehr unbequem. Ihr ist auch aufgefallen, dass sie sich im Hals- und Oberkörperbereich seit der Zeit eher steif fühlt.

In der Übersichtsuntersuchung wird die Beweglichkeit und die Gefühlsqualität der Halswirbelsäule bei maximal möglichem aktiven Bewegungsausmaß betrachtet.
In der Rotation nach links zeigt sie auf den gesuchten starken Schmerz flächig im Bereich des rechten M. Trapecius pars descendens und der Therapeut stellt die Bewegungseinschränkung fest:
Rotation links / 0 / Rotation rechts
45 / 0 / 80
Bei Elevation des rechten Schultergürtels verbessert sich die Rotation bei gleichbleibendem Gefühl auf
65 / 0 / 80
Eine mögliche Interpretation des Befunds bei veraltetem Stand:
Bewegungseinschränkung, nicht gelenkig, da die Elevation die Rotation verbessert hat
Muskuläres Problem
Verkürzung oder Verspannung der Mm. scaleni rechts und M. Trapecius pars descendens rechts
Schmerz ist das Zeichen für die Verspannung oder Verkürzung
Schnelle Bewegungen verschlimmern die Problematik.
Solange der Schmerz vorhanden ist, ist aktive Therapie kontraindiziert, denn
Aktive Übungen erhöhen die Spannung der Muskulatur und würden das Problem verschlimmern
Zuerst muss der schmerzhafte Bereich mit diversen Weichteiltechniken vom Therapeuten manuell behandelt werden
Zusätzlich muss der Bereich regelmäßig gedehnt werden, um eine weitere Einschränkung zu vermeiden
Arbeitshypothese des Therapeuten:
Aufklärung über den Befund mit folgenden Kernpunkten:
Es ist eine Verspannung
Sie kommt von… (Ursachenspekulation)
Sie hat ihren Nackenbereich nicht regelmäßig gedehnt
Haltungsasymmetrie (vielleicht ist die Anatomie des Schultergürtels ungleich hoch im Sichtbefund)
Arbeit (einseitige und wiederkehrende Situationen bekommen auch gern den Titel Zwangshaltung)
Schwäche anderer Muskulatur
Handybenutzung
Wir (der Therapeut) lösen die Verspannung
Es muss gedehnt werden, damit es sich nicht verschlimmert
Das Ziel ist es, den Schmerz wegzubekommen.
Die Behandlung

Was nimmt die Patient:in möglicherweise mit?
Ich habe einen schiefen Körper und deshalb Schmerzen.
Ich habe eine Verkürzung oder Verspannung und diese ist eine der Ursachen für den Schmerz.
Ich kann bis auf das Dehnen mit unklarem Ziel wenig tun.
Der Therapeut muss mir erst die Schmerzen wegnehmen, bevor ich mehr machen darf.
Ich sollte vorsichtig sein. Es kann schlimmer werden.
Ich bin Schuld, da ich auf Arbeit oder am Handy immer wieder in gewisse Positionen komme.
Ich bin Schuld, wenn ich das empfohlene Übungspensum nicht erreichen kann.
Keine lehrreiche, sondern sogar eher demotivierende Situation für einen hilfesuchenden Menschen, der mit Beschwerden zur Behandlung in die therapeutische Praxis kam und mit Hoffnung auf Besserung rechnete.
Es wurden einige beispielhafte Angaben aufgezählt. Wir sparen uns an dieser Stelle weitergehende Informationen sowie einen vollständigen Befund. Das Beispiel dient der reinen Anschaulichkeit und stellt keineswegs die Vorgehensweise auf Grundlage eines aktuellen Schmerzverständnisses und unserer Behandlungen dar.
Nun ist dieser exemplarische Fall nicht der einzige Bereich, in dem uns Mythen der therapeutischen Arbeit tagtäglich noch im Alltag begegnen.
Einige weitere Themen, die auch nach „falschen Theorien“ behandelt werden
Blockaden - sie werden häufig falsch diagnostiziert.
Mythos: Die Blockaden/Blockierungen müssen behoben werden, damit sich der Zustand bessert.
Rückengerechtes Heben
Mythos: Vermeidung schädlicher Bewegungen und Anleitung zur besseren/gesünderen Technik
Haltung
Mythos: Sie ist Ursache für Beschwerden, muss analysiert und berichtigt werden, sonst drohen Fehlhaltungen und Haltungsschäden
Impingement
Schmerzen aufgrund der Einklemmung. Wie eine Annahme die ganze Therapie in die Irre führt
Instabilität der Wirbelsäule
Mythos: Es schmerzt, weil Teile der Muskulatur inaktiv sind oder nicht richtig arbeiten. Die Wirbelsäule muss stabilisiert werden
Abnutzung, Arthrose
Mythos: Belastungen sind schädlich und werden mehr Schmerzen auslösen
Gelenke sollten entlastet werden, um Besserung zu erfahren.
Iliosakralgelenk
Mythos: Es steht in falscher Position oder funktioniert unnormal
All diese Annahmen sind Inhalte unserer Mythen-Webinare und Ausgangslagen, die die Therapie in ihrer Effektivität bremsen und das wollen wir alle nicht. Eine Therapie durchzuführen, obwohl es effektivere Herangehensweisen gibt.
Wie oben erwähnt: Du möchtest als Therapeut:in noch besser behandeln.
In unseren Kursen erfährst du klar wissenschaftlich belegte Informationen über die Entstehung und Behandlung von vielen Schmerzproblematiken.
Du erhältst viele Möglichkeiten, wie du in deiner Therapie:
Trotz vieler Informationen der Patientengeschichte einen kühlen Kopf bewahren kannst
Zeit sparen kannst
Mehr Klarheit, was wirklich zu tun ist
Weniger Druck spürst, wenn von dir die Problemlösung erwartet wird
Deinen Patienten sinnvolle statt veraltete Tipps geben kannst.
Den Fokus auf die entscheidenden Dinge legen kannst.
Ein noch besserer Begleiter durch schmerzvolle Zeiten sein kannst.
Mit unseren Mythen Webinaren kommt für dich noch mehr Licht ins Dunkle.
In jeweils 3 Stunden erfährst du, welche Mythen einer wissenschaftlichen Prüfung nicht standhalten können und welche zielführenden Alternativen es für dich in deiner Therapie gibt.
Jonas Weber, Christoph Schwertfellner und Stefan Meyer bringen die moderne Schmerztherapie in die Praxis. In spannenden Diskussionen mit weiteren Therapeut:innen profitieren alle vom Austausch und erhalten neue Perspektiven, die es am Patienten auszuprobieren gilt.
Falls dein Interesse geweckt wurde, klicke hier und melde dich für einen unserer Kurse an.
Falls sich Fragen ergeben haben, schreibe direkt eine Mail über unser Kontaktformular oder nimm Kontakt auf unseren Social Media Kanälen auf.
Wir freuen uns auf dich! Dein BEST-Team Jonas, Stefan und Christoph
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