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Rheumatoide Arthritis und Schmerz 🤲⚡️

Ein Überblick für Therapeuten, Ärzte und Betroffene.




Was hat die rheumatoide Arthritis mit Schmerzen zu tun?

Wer ist davon betroffen?

Sind alleine Entzündungsreaktionen schuld? Oder gibt es Mechanismen, die die Schmerzen besser erklären?

Welche Faktoren tragen zur Entstehung bei?

Welche Faktoren verstärken das Leiden?

Zu welchen Therapien wird derzeit geraten?

Welche Therapien sollten besser vermieden werden?





1: Zahlen 💯


❗️Die Rheumatoide Arthritis ist eine durchaus häufige Erkrankung. Studien zufolge sind je nach untersuchter Population 0,3 bis 4,2% der Bevölkerung betroffen.

Häufig wird die Erkrankung nach einer Episode von Schmerzen das erste Mal diagnostiziert.

Im Verlauf kommt es unter anderem häufig zur Verformung von Gelenken, sowie Bewegungseinschränkungen dieser. In der Regel verläuft die Erkrankung in Schüben. Oft wird ein „Grundton“ an Schmerzen beschrieben, der sich dann zeitweise deutlich verstärkt.

Selbst in der aktuellen Literatur zur Erkrankungsursache wird die rheumatoide Arthritis sehr häufig noch als chronisch entzündliche Gelenkerkrankung betrachtet.

Doch ist das noch zeitgemäß?


😟Bereits bei der Diagnosestellung, also tendenziell zu Beginn der Erkrankung leiden 97% der Betroffenen unter Schmerzen. Entzündungsprozesse spielen hier auch definitiv eine Rolle.

Der Schmerz nimmt bei der rheumatoiden Arthritis für die Leidenden einen besonders hohen Stellenwert ein. Auch die Therapie der Schmerzen gestaltet sich hierbei oft schwierig.

Tatsächlich ist Schmerz allerdings das dominanteste Symptom für die Betroffenen. Schmerz wird auch in wissenschaftlichen Befragungen von Patient*innen als wichtigstes Symptom beschrieben❗️



Was ist jetzt mit der Entzündung?


Trotz einem Schmerz-Flare (oder "Schmerzschub") können nur bei 64% der Leidenden Entzündungsreaktionen festgestellt werden.

Dennoch wird die rheumatoide Arthritis häufig als eine chronisch entzündliche Gelenkerkrankung beschrieben. 🧐🤔

Ob diese Definition tatsächlich so haltbar ist wird durch die Zahlen ein wenig in Frage gestellt. Allerdings gilt es nach wie vor als unbestritten, dass Entzündungsprozesse zumindest einen Anteil an den Beschwerden ausmachen.


Was heißt das für uns in der Therapie?

Können wir Schmerzen aufgrund rheumatoider Arthritis beeinflussen?

Um diese Frage auch nur ansatzweise beantworten zu können lohnt sich ein Blick hinter die Kulissen. Oder anders ausgedrückt: Welche Mechanismen stecken denn hinter den durch rheumatische Arthritiden bedingten Schmerzen?



2: Mechanismen ❗️




Ganz grob eingeteilt geht es auch bei der rheumatischen Arthritis um periphere und zentrale Sensibilisierungsprozesse. Der größte Unterschied zwischen diesen Verarbeitungsmechanismen ist der „Ort“ der Verarbeitung. Während die periphere Sensibilisierung hauptsächlich durch Verletzungen, Reize und Heilungsreaktionen in der Peripherie verursacht wird, sind zentrale Sensibilisierungsmechanismen vor allem bei langanhaltenden Schmerzen mit einer Vielzahl an psychologischen, sozialen und biologischen Faktoren verbunden.


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Wie der Name bereits erahnen lässt, werden bei der peripheren Sensibilisierung vor allem periphere Nervenstrukturen empfindlicher. Dagegen hängen zentrale Sensibilisierungsprozesse vor allem mit einer Sensibilisierung des zentralen Nervensystems zusammen.

Beide Mechanismen können allerdings in ähnlichen Symptomen enden: die betroffenen Körperbereiche reagieren empfindlicher auf externe und interne Reize. Das bedeutet, dass zum Beispiel Berührungen und Bewegungen als schmerzhaft empfunden werden, obwohl dadurch gar kein körperlicher Schaden entsteht. Vor allem bei zentralen Sensibilisierungsprozessen reagiert der Körper oftmals empfindlicher auf Stress, negative Emotionen und beängstigende Gedanken.

Wie genau verhält sich das bei der rheumatischen Arthritis?

Periphere Sensibilisierungsprozesse🔥sind im Kontext der rheumatischen Arthritis vor allem auf eine Synovitis, also eine Entzündungsreaktion der Gelenkschleimhäute zurückzuführen.

Dabei kommt es vor allem in der Phase eines Rheumaschubs zu einer vermehrten Ausschüttung von Entzündungsmediatoren, die das periphere Nervensystem sensibilisieren können.


➡️Zu diesen Entzündungsmediatoren zählen unter anderem:

- Prostaglandin

- Bradykinin

- Tumor Nekrose Factor-α (TNF-α)

- Interleukin-1β (IL-1β)

- Interleukin-6 (IL-6)

- Interleukin-17 (IL-17)

- Calcitonin gene-related peptide (CGRP)

- Nerve growth factor-β (NGF-β) = Nervenwachstumsfaktor


➕Außerdem sind in der Synovia (Gelenkschleimhaut) Aδ- und C- Fasern reichlich vorhanden. Die oben genannten Entzündungsmediatoren können zu einer stärkeren Aktivierung dieser Aδ- und C- Nervenfasern führen. In der Peripherie bedeutet das, dass die Rezeptoren der peripheren Nerven mehr Informationen aus dem Gewebe aufnehmen und weiterleiten.


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Allerdings stehen vor allem auch zentrale Sensibilisierungsprozesse im Fokus, wenn es um rheumatisch bedingte Gelenkschmerzen geht. 🧠

Es konnte herausgefunden werden, dass die Schmerzen bei bis zu 41% der Betroffenen über zentrale Sensibilisierungsprozesse entstehen.


Dabei kommt es sowohl zu einer reduzierten absteigenden Hemmung⬇️, als auch zu einer erhöhten absteigenden Verstärkung⬆️.

Kurz erklärt bedeutet das Folgendes:

- Absteigende Hemmung: über Gehirnprozesse hemmende Wirkung auf periphere Reize und Prozesse im Rückenmark. Zum Beispiel Ablenkung oder körperliche Aktivität kann dazu führen, dass Neurotransmitter ausgeschüttet werden. Diese Stoffe sind wiederum in der Lage die Reizweiterleitung zu hemmen.

- Absteigende Verstärkung: über Gehirnprozesse verstärkende Wirkung auf periphere Reize und Prozesse im Rückenmark. Zum Beispiel Angst kann wiederum andere Neurotransmitter und Botenstoffe ausschütten, die die zentrale Reizweiterleitung verstärken. Das ist in etwa so, wie wenn du deine Stereoanlage lauter aufdrehst. Dadurch erklingt die Musik viel lauter und wird viel lauter von deinen Ohren aufgenommen. Tatsächlich ist die auf der CD befindliche Musik aber in derselben Lautstärke gebrannt als bei geringer Lautstärke.


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❗️Auch die klassische zentrale Sensibilisierung auf Rückenmarksebene ist hier involviert. Das kann letztendlich auch zu einer strukturellen Veränderung des zentralen Nervensystems führen. So können sich auch dort vor allem die Rezeptoren verändern. Als Folge ist eine gesteigerte Reizweiterleitung auf Rückenmarksebene zu nennen.

Auf zentraler Ebene sind im Gegensatz zur peripheren Reizverarbeitung nicht nur Nerven beteiligt. Inzwischen ist bekannt, dass sogar mehr Glia- als Nervenzellen an der Reizweiterleitung beteiligt sein können. Diese Gliazellen übermitteln unter anderem Informationen des Immunsystems und sind daher ein wichtiger Teil aktueller Forschung im Bereich langanhaltender Schmerzen.


Noch mehr spannende Fakten über zentrale und periphere Sensibilisierung erhältst du in unserem Kurs "Das Schmerz Einmaleins".


Zumindest einen groben Überblick über die Mechanismen solltest du jetzt haben. Und welche konkreten Faktoren tragen zur Entstehung rheumatisch bedingter Schmerzen bei?

Was sorgt dafür, dass Schmerzen verstärkt empfunden werden?




3: beitragende Faktoren 😢




Die gerade thematisierten peripheren und zentralen Schmerzmechanismen haben natürlich schon direkt einen Einfluss auf Schmerzen. Vor allem durch Veränderungen im Nervensystem (peripher und zentral) kann eine Schmerzsteigerung erklärt werden. Dennoch kann noch mehr zu den Schmerzen der Betroffenen beitragen. Vor allem häufige Nebenerkrankungen sind bekannt. Darunter werden häufig weitere Schmerzerkrankungen, als auch organisch bedingte Probleme beschrieben. Beides kann sowohl die Entstehung von Schmerzen fördern, als auch die Schmerzintensität erhöhen. ⚡️⚡️


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Zu den peripheren Treibern der rheumatisch bedingten Gelenkschmerzen zählen neben den Entzündungsreaktionen vor allem strukturelle Gelenkveränderungen. Je länger die rheumatische Arthritis besteht, desto häufiger sind Deformitäten der Gelenke oder Arthrose zu beobachten. 🦴

Auch wenn wir inzwischen eindeutig wissen, dass Arthrose und strukturelle „Auffälligkeiten“ nicht mit Schmerzen assoziiert sein müssen, können diese Veränderungen einen Beitrag zu Schmerzen leisten. „Können“ bleibt hier aber wohl das bedeutende Stichwort.


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Fibromyalgie dagegen wird häufig auch als Differentialdiagnose zur rheumatischen Arthritis angesehen. Es scheint allerdings einen Zusammenhang zwischen dem Fortschreiten der rheumatischen Arthritis und der Häufigkeit der Entstehung von Fibromyalgie zu geben. 🧐


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Außerdem gilt eine manifestierte Depression als psychologischer Risikofaktor und kann ebenfalls für eine Verstärkung der Schmerzen verantwortlich sein. 😞

Hier muss allerdings klar festgehalten werden, dass erst einmal nur ein Zusammenhang und keine Ursache zu erkennen ist. Auch wenn es möglich ist, dass Depressionen die Entstehung rheumatischer Arthritiden beziehungsweise eine Schmerzverstärkung bewirken können, ist auch ein umgekehrter Zusammenhang denkbar. Auch durch Schmerzen und vor allem entstehende Einschränkungen können Depressionen entstehen.


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Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass rheumatisch bedingte Schmerzen mit weiteren strukturellen und psychologischen Risikofaktoren in Verbindung stehen. Welche Therapieoptionen vorgeschlagen werden kannst du im Folgenden Abschnitt nachlesen.



4: Therapie




Welche Therapie hilft am besten gegen rheumatisch bedingte Schmerzen? 🤔


In der Literatur werden vor allem vier unterschiedliche Therapiewege eingeschlagen:


✅Medikamente

✅Operationen der Gelenke

✅Alternative Therapieinterventionen

✅Bewegungs- und Verhaltenstherapien


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Medikamente 💊


💊Neben klassischen entzündungshemmenden NSAR (Nichtsteroidale Antirheumatika) werden Opioide ergänzend zur Schmerzlinderung und weitere Entzündungshemmende Substanzen wie Glukokortikoide (Cortison) verabreicht.


💊Ebenfalls werden biologische und synthetische, krankheitsmodifizierende Antirheumatika (DMARDs) verschrieben. Diese Medikamente sollen sowohl die Symptome reduzieren, als auch den Verlauf verlangsamen.


💊Viel Forschung wird derzeit vor allem in Biologika gesetzt. Dabei handelt es sich in der Regel um körpereigene Substanzen, die auf den menschlichen Stoffwechsel wirken und somit eher geringe Nebenwirkungen aufweisen.

Konkret werden zum Beispiel TNF‐α und IL-1 Inhibitoren eingesetzt, um letztendlich wiederum die Entzündungsreaktionen zu reduzieren.





Allerdings haben 40-50% der Betroffenen nach der Einstellung mit Medikamenten und ausbleibenden Entzündungsreaktionen immer noch Schmerzen. 🙁


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🩺Im Endstadium der Erkrankung und damit einhergehender Arthrose ist auch ein operativer Gelenkersatz eine mögliche Therapieoption. Zu Bedenken ist hier, dass bei Menschen mit rheumatoider Arthritis Komplikationen wie Infektionen häufiger auftreten.





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❌Alternative Therapieoptionen wie Akupunktur, Nervenblockaden, Cortison- und Hyaluronsäureinjektionen werden häufig angewendet, bringen aber höchstens eine kurzfristige Schmerzlinderung und sind damit nicht zu empfehlen.❌





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Bewegungs- und Verhaltenstherapien werden vor allem in Kombination mit psychologischen Therapien stark empfohlen. Die langfristige Wirkung ist dabei am stärker, als die der anderen Therapieoptionen.😃

Vor allem im Bereich der Bewegungs- und Verhaltenstherapien sind wir Therapeuten Zuhause! 😍

Fördere Bewegung auch bei deinen Patienten! 👏


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❌Übrigens: nur 26% der Betroffenen sind mit ihrer Therapie zufrieden. Es gilt also noch viel aufzuholen! 🤨


Wir empfehlen hier dringend mit dem Modell der GIM’s und SIM’s zu arbeiten. Vielleicht kannst auch du damit zu einer Verbesserung der Schmerzsituation vieler rheumatisch bedingter Schmerzen beitragen.


Mehr dazu erfährst du in unseren Kursen rund um das Thema Schmerz. Alle Angebote findest du hier auf unserer Homepage. 😃


Sind deine Rheumapatienten zufrieden mit ihrer Behandlung?

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